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Grundlos sexlos - Interview mit der Ärztin und Sexualtherapeutin Dr. Jutta Kossat

Rose bschnInterview mit der Priener Sexual- und Partnertherapeutin Dr. Jutta Kossat im Rahmen des „Kölner SexTalks“ für Köln-Insight.TV Radio Edition. Hier die Inhalte zum Nachlesen.

Alpenwelt.TV: Hallo Frau Dr. Kossat, schön dass sie sich die Zeit genommen haben. Was uns brennend interessiert:

Wer kommt in Ihre Praxis und warum?
Dr. Jutta Kossat: Personen, die unzufrieden mit der Beziehung und ihrem Sexleben sind, oft keinen Sex mehr haben. Die Zeit vergeht, aus sexfreien Wochen werden Monate und Jahre.

Alpenwelt.TV: Wie kommt es dazu, gibt es Ursachen und Gründe?
Dr. Jutta Kossat: Auslösend sind am Anfang meist irgendwelche stressige Faktoren wie Partnerschaftskonflikte oder Stress im Beruf, Streit in der Familie. Dinge, die jeder kennt.
Einschneidend sind oft Schwangerschaft und Geburt eines Kindes und die damit veränderte Lebenssituation. Die Frau bekommt viel Liebe vom Kind, der Mann wird zur drittem Person.

Alpenwelt.TV: Wie geht es den Paaren damit?
Dr. Jutta Kossat: Die Paare sind hilflos, wissen nicht, wie sie wieder starten sollen. Sie hätten gern wieder ein Sexualleben und wissen nicht, wie sie es wieder aktivieren. Wer macht den ersten Schritt? Auch ist ein Problem der Verlust von Nähe, denn meist fehlt ja nicht nur der Sex, sondern jede Art von körperlicher Nähe - nach dem Schema, wo kein Sex ist, ist auch kein Kuss

Warum sprechen die Paare nicht einfach miteinander und sagen, was ihnen fehlt.
Zuhause hat man nicht gelernt, darüber offen reden; dies fällt den meisten schwer. Über Sex wird vielleicht in den Medien geredet, aber nicht zu Hause mit dem Liebsten. Und der Mythos: Liebe und Sex braucht keine Worte tut sein Übriges dazu. 

Alpenwelt.TV: Warum ist das über Sex Reden so ein Tabu? 
Dr. Jutta Kossat: 
• Naja, in den Medien bekommen wir meist ein supertolles Sexualleben mit allen Raffinessen, multiplen Orgasmen vorgelebt und selbst, gar kein Sex, das ist schwierig …
• Aber im Grunde geht es im Sex nicht um die propagierte Sextechniken, sondern um Nähe und Intimität.
• Zudem existiert eine große Verunsicherung. Besonders die Männer kommen schnell unter Leistungsdruck.
• Vereinfacht gesagt, geht es im Sex darum auf körperlicher Ebene zu erfahren, Ich-bin-okay-wie-ich-bin.

Alpenwelt.TV: Sehen das Männer und Frauen in gleicher Weise – was ist mit den Geschlechterunterschieden?
Dr. Jutta Kossat: Männer wollen nur das eine, nein das ist nicht wahr, auch sie wollen Nähe. Männer haben oft nur einen Kanal, um Nähe herstellen zu können oder einen Zugang zu ihren eigenen Gefühlen zu bekommen, nämlich durch sexuelle Nähe. Anders können sie ihre Gefühle oft nicht zeigen oder gar sagen. Das Problem dabei ist, dass es Frauen nicht gelingt, die Lust des Mannes als Nähe zu dechiffrieren und zu erkennen. Sie fühlen sich leicht als Lustobjekt.

Alpenwelt.TV: Was ist mit den anderen Mythen – räumen Sie mal auf.
Dr. Jutta Kossat: Lust kommt von selbst, guter Sex muss spontan sein - nein, man muss ihm Raum schaffen.
Zeit haben, um Lust und Intimität und Entspannung zu erleben. Wenn er mich liebt, weiß er, was ich brauche – nein, sie muss es ihm sagen. Jede Frau ist anders. In langjährigen Beziehungen gibt es automatisch immer weniger Sex – auch das stimmt nicht, es gibt durchaus Paare, denen das gelingt.

Alpenwelt.TV: Wie können Paare dem „grundlos sexlos“ entgegensteuern.
Dr. Jutta Kossat: Sich Zeit nehmen, die eigenen Bedürfnisse kennen und aussprechen, den liebevoller Umgang mit küssen und in den Arm nehmen wieder pflegen.
Besser hinhören, was will er mir sagen. Den Partner auch nach Jahren immer wieder neu kennen lernen, Komplimente machen, auch kleine Dinge verändern sofort die Atmosphäre.

Alpenwelt.TV: Die Lösung ist also, mit dem Partner zu reden?
Dr. Jutta Kossat: 
• Auf die Initiative des Partners zu wart en, bringt nichts. Der wartet ja auch …
• Meist vergessen wir alle im Gefecht der Partnerschaft, dass es eigentlich um Liebe geht und nicht um Erwartungen. Liebesbeziehungen, Liebe kann man nur schenken, man hat kein Anrecht darauf und man darf nicht eine Handelsbeziehung daraus machen, nach dem Motto, wenn Du das machst, mach ich das …

Alpenwelt.TV: Was kann man tun, wenn das Paar nun schon lange grundlos sexlos ist. Wie helfen Sie diesen Paaren?
Dr. Jutta Kossat: 
• Also nehmen wir mal an, das Paar hatte aus den unterschiedlichsten Gründen seit Monaten keinen Sex mehr.
• Das Paar möchte aber zusammenbleiben und auch eine erfüllende Sexualität erleben.
• Dann kann die klare Vereinbarung, dass für die nächsten zwei Wochen kein Sex stattfindet, eine deutliche Entlastung sein, weil keine unterschwellige Erwartung bei beiden mehr da ist, im Sinne, wir müssten aber doch …
• Dann verabredet das Paar aber z. B. jeden Samstag- und Sonntagabend, zehn Minuten einander zu umarmen und zu kuscheln, ohne ein Streicheln der Brust oder der Genitalien.
• So können sie neue körperliche Erfahrungen machen und Nähe ohne Stress, Druck und Erwartungen erleben.

Alpenwelt.TV: Und wie geht es den Paaren dann damit. Was passiert mit ihnen?
Dr. Jutta Kossat: Es kommt Lebensfreude auf und meist auch die Erkenntnis, dass der andere nach so langer Zeit immer noch vertraut ist und dass es schön ist, zu berühren und berührt zu werden.

Alpenwelt.TV: Was sind ihre persönlichen Favoriten als Garanten für eine glückliche und erfüllende Beziehung?
Dr. Jutta Kossat: Den Fokus auf die positiven Eigenschaften des Partners legen, niemand ist vollkommen.
Verantwortung für sich übernehmen und nicht dem Partner zuschieben – und: Die Verletzlichkeit, die sich einstellt, in Kauf nehmen, denn ich bin verwundbar, wenn ich mich einlasse – aber es ist es Wert.

Das Gespräch führte Petra Wagner │ Text-Fabrik für Köln-Insight.TV und Alpenwelt.TV

Das Gemälde/Fotgrafie stammt von der Künstlerin Aldona Sassek "Zwei Frauen in Braun"

 

 

 

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